Hinter Problemen mit dem Aufmaß steckt häufig ein zahlungsunwilliger Auftraggeber. Als zentraler Bestandteil der Abrechnung ist das Aufmaß für den Auftragnehmer ein wichtiges Recht, bei dem es einiges zu beachten gilt.
Auf den ersten Blick haben das Aufmaß von erbrachten Leistungen und Baurecht nichts miteinander zu tun. Bei dem Aufmaß geht es um eine Leistung, die man anfassen und aufmessen kann, beim Baurecht um abstrakte Rechtsfragen. Dabei gibt es zahlreiche Verbindungen, bei denen meist ein zahlungsunwilliger Auftraggeber im Hintergrund steht: Ist die Schlussrechnung prüffähig und liegt ein prüffähiges Aufmaß vor? Wie ist mit einem gemeinsamen Aufmaß umzugehen, kann das noch angegriffen werden? Was ist, wenn der Vertragspartner nicht zum Auftragstermin erscheint? Was, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer durch ein Baustellenverbot den Zugang zu den aufzumessenden Leistungen nimmt? Oder eigenmächtig die Leistungen als „mangelhaft“ beseitigt hat?
Bedeutung der Prüffähigkeit
Ist eine Rechnung nicht prüffähig und rügt der Auftraggeber dies rechtzeitig, hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Vergütung – gar keinen! Rügt der Auftraggeber nicht rechtzeitig, kommt es zu einer inhaltlichen Prüfung, wobei der Auftragnehmer die Richtigkeit seiner Rechnung nachweisen muss. Was aber ohne Aufmaßunterlagen eben gerade meist nicht geht …
Leistungsermittlung aus den Plänen
Auch unter Juristen oft unbekannt ist eine zentrale Regelung zum Aufmaß. In der VOB/C findet sich in der ATV DIN 18299 eine Regelung, die – wie die gesamte ATV DIN 18299 – grundsätzlich für alle Arten von Bauleistungen gilt.
Und kurz ist die Regelung auch noch: „Die Leistung ist aus Zeichnungen zu ermitteln, soweit die ausgeführte Leistung diesen Zeichnungen entspricht. Sind solche Zeichnungen nicht vorhanden, ist die Leistung aufzumessen“. Dies ist die vollständige Regelung in Abschnitt 5 der ATV DIN 18299.
Gibt es für eine Leistung Zeichnungen – also z.B. eine Ausführungs- oder Werkplanung – so kann die Leistung anhand dieser Zeichnungen ermittelt werden. Der Auftragnehmer kann also auf die vorhandenen Pläne zurückgreifen und muss nicht selber Aufmaßzeichnungen erstellen. Dies gilt aber nur – und das ist natürlich eine wichtige Einschränkung – wenn der Auftragnehmer entsprechend der Planung gebaut hat. Das sollte aber der Regelfall sein, zumal jede Abweichung einen Mangel darstellen kann.
Prüffähiges Aufmaß
Muss der Auftragnehmer ein Aufmaß erstellen, so enthält die VOB in der VOB/B Regelungen dazu, wie das Aufmaß auszusehen hat.
Dort heißt es in § 14 Abs. 1 VOB/B: „Der Auftragnehmer hat seine Leistungen prüfbar abzurechnen. (…) Die zum Nachweis von Art und Umfang der Leistung erforderlichen Mengenberechnungen, Zeichnungen und andere Belege sind beizufügen.“
Das macht zumindest deutlicher, worum es geht: um den Nachweis von Art und Umfang der ausgeführten Leistungen. Diese müssen sich aus den Belegen ergeben. Dies können je nach Leistung und Abrechnungsart Pläne, Wiegescheine etc. sein. Entscheidend ist, dass der Auftraggeber daraus ersehen kann, welche Leistungen der Auftragnehmer ausgeführt hat. Ob ein Aufmaß prüffähig ist, lässt etwa so feststellen: Geben Sie einem völlig neutralen Dritten, der noch nie auf der Baustelle war (aber fachkundig ist) die Nachweise und geben Sie ihm den Auftrag, die Richtigkeit zu überprüfen. Kann er dies nicht, weil Zeichnungen nicht zuordenbar sind, Leistungen verdeckt sind, die auf gemessenen Einheiten nicht dem Vertrag entsprechen (kg statt m³), dann ist die Aufstellung nicht prüfbar.
Gemeinsames Aufmaß und Bestreiten
Der sicherste Weg zum prüffähigen Nachweis ist das gemeinsame Aufmaß. Dabei kann der Auftraggeber auch Einfluss nehmen auf die Art der Dokumentation. Ist man sich insoweit einig, kann der Auftragnehmer mit Diskussionen im Rahmen der Rechnungsprüfung entspannt umgehen.
Einen weiteren Vorteil hat das gemeinsame Aufmaß: Die dabei gemeinsam getroffenen Feststellungen sind erst einmal für beide Vertragspartner bindend und maßgeblich. Warum nur „erst einmal“? Jeder Vertragspartner kann bei der Erstellung bzw. Prüfung der Schlussrechnung noch andere Massen abrechnen bzw. prüfen – dann ist er aber dafür beweispflichtig! Will also der Auftraggeber nach einem gemeinsamen Aufmaß nur einen Teil der Leistungen bezahlen, so muss er beweisen, dass auch tatsächlich weniger ausgeführt wurde (sog. Beweislast). Dies ist bei vielen Leistungen nicht einfach, bei manchen sogar unmöglich. Weil normalerweise der Auftragnehmer für seine Leistungen die Beweislast trägt, kommt es zu Lasten des Auftraggebers zu einer sogenannten Beweislastumkehr.
Ein solches gemeinsames Aufmaß ist auch in der VOB/B an einigen Stellen vorgesehen, z.B. bei später verdeckten Leistungen – einer später abgedeckten Drainage, Bewehrungsstahl bevor der Beton kommt, Leitungen bevor der Putz aufgelegt wird etc. Die VOB/B empfiehlt in solchen Fällen eine gemeinsame Zustandsfeststellung, § 4 Abs. 10 VOB/B, und eine fortlaufende Aufmaßerstellung, § 14 Abs. 2 VOB/B. Bei später verdeckten Leistungen muss der Auftragnehmer die Feststellung beantragen, so der letzte Satz von § 14 Abs. 2 VOB/B. Fordert der Auftragnehmer eine solche Feststellung, hat sie für ihn den Vorteil der Beweislastumkehr, auch wenn der Auftraggeber nicht erscheint.
Einseitiges Aufmaß – welche Vorteile hat es?
Überhaupt hat ein auch nur einseitiges Aufmaß oft Vorteile, zumindest wenn der Vertragspartner eingeladen war. Ein Beispiel:
Der Auftragnehmer führt eine Drainage aus und lädt den Auftraggeber zu einem Aufmaßtermin ein. Der Auftraggeber kommt nicht. Kurz darauf behauptet er, die Drainage sei mangelhaft und lässt sie ohne jede Fristsetzung zurückbauen und durch eine andere ersetzen. Der Auftragnehmer will jetzt seine Leistungen abrechnen. Der Auftraggeber kann keinen Mangel der ursprünglichen Drainage nachweisen.
Um an sein Geld für die mangelfreie Leistung zu kommen, muss der Auftragnehmer ihren Umfang nachweisen können – prüffähig! Der Auftragnehmer hat zwar prüffähige Unterlagen erstellt, und zwar bei dem Termin, zu dem auch der Auftraggeber eingeladen war. Aber die Richtigkeit des Aufmaßes kann nicht mehr überprüft werden, weil die Leistung zurückgebaut wurde.
Dies geht aber zu Lasten des Auftraggebers! Der Auftragnehmer hatte alles getan, ein gemeinsames prüffähiges und geprüftes Aufmaß herbeizuführen. Es liegt allein am Auftraggeber, dass es hierzu nicht gekommen ist. Daher muss er nachweisen, welche Fehler der Auftragnehmer in seinem Aufmaß gemacht hat und wie viel daher wirklich abzurechnen ist. Dies wird dem Auftraggeber meist nicht gelingen.
Einseitiges Aufmaß bei Baustellenverbot
Das gleiche Problem kann sich für einen Auftragnehmer stellen, wenn der Auftraggeber den Vertrag vorzeitig kündigt und die Arbeiten einfach weiterführen lässt. Manche Auftraggeber erteilen gerne „mal eben so“ ein Baustellenverbot. Das ist für den Auftragnehmer besonders unangenehm. Nicht nur muss er um seine Materialien und Geräte fürchten, auch die Abrechnung der erbrachten Leistungen steht auf dem Spiel.
In solchen Fällen muss der Auftragnehmer schnell handeln. Er muss prüfen, welche Abrechnungsunterlagen er hat. Liegen Ausführungspläne vor, auf die er seine Abrechnung stützen kann? Kann er den Stand seiner Arbeiten nachweisen, mit Fotos, Videos und darauf basierenden Zeugenaussagen? Droht eine Veränderung der ausgeführten Leistungen?
Ganz entscheidend ist dabei der Ausgangspunkt, dass der Auftragnehmer die Pflicht hat, prüffähig abzurechnen – und daher auch das Recht, ein Aufmaß zu erstellen.
Der Auftragnehmer kann überlegen, ob er dem Auftraggeber durch eine einstweilige Verfügung die Weiterführung der Arbeiten untersagt. Dieser Weg hat jedoch gewisse Risiken. So kann es zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers kommen. Dennoch sollte dies versucht werden, wenn überhaupt keine Abrechnungsgrundlagen vorhanden sind.
Hat der Auftragnehmer zumindest für ausreichend große Teile brauchbare Abrechnungsgrundlagen, so kann es reichen, dem Auftraggeber eine Frist zu setzen und ihn zu einer gemeinsamen Aufmaßerstellung aufzufordern. Verweigert sich der Auftraggeber, kann er sich zumindest nicht auf später nicht mehr nachprüfbare Fehler der Abrechnung stützen. Dies hilft dem Auftragnehmer aber nur, wenn er seine Leistung überhaupt nachweisen kann, also z.B. durch die Planung des Auftraggebers selber, ein baubegleitendes Aufmaß oder ähnliches. Problematisch und für den Auftragnehmer wenig hilfreich ist allerdings der Einwand, wegen des Verhaltens des Auftraggebers habe er gar keine Abrechnungsgrundlagen erstellen können. Dies hilft ihm nicht dabei, seine Vergütung wenigstens näherungsweise der Höhe nach darzustellen.
Je mehr sich der Auftragnehmer ordnungsgemäß um ein Aufmaß bemüht hat, um so geringer sind die Chancen des Auftraggebers, wegen formaler Fehler der Unterlagen den Vergütungsanspruch abwehren zu können.
Fazit
Das Aufmaß hat auch eine rechtliche Grundlage. Diese Grundlage betrifft zum einen die Frage, wann und wie das Aufmaß zu erstellen ist. Zum anderen geht es um das Recht des Auftragnehmers, für seine Abrechnung ein Aufmaß erstellen zu dürfen. Diesem Recht darf sich der Auftraggeber nicht grundlos entgegenstellen. Und weil das Aufmaß als entscheidender Rechnungsbestandteil für den Auftragnehmer weit mehr ist als nur ein Stück Papier, sollte der Auftragnehmer sorgfältig mit diesem Anspruch und dessen Gefährdung durch den Auftraggeber umgehen.
Quelle: KIEL/BERLIN, 15.06.12, RA Dr. Mark von Wietersheim, Berlin