Angebot ungewöhnlich niedrig: Ausschluss nicht zwingend!

Angebote, deren Preise (Gesamtpreis) in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen und prognostisch erwarten lassen, der Bieter werde seine vertraglichen Verpflichtungen nicht bis zum Ablauf des Vertrags erfüllen können, sind auszuschließen. Ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung besteht nicht, wenn das Angebot entweder auskömmlich ist oder zwar unauskömmlich ist, aber weder in Marktverdrängungsabsicht abgegeben wurde noch die Prognose begründet, der Bieter werde zu diesem Preis nicht über die gesamte Laufzeit des ausgeschriebenen Vertrags leistungsfähig bleiben. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Angebotspreis auskömmlich ist oder nicht, kommt es entscheidend darauf an, ob der Vertrag selbst für den Bieter auskömmlich ist; maßgeblich ist eine vertragsbezogene Betrachtung. Dagegen ist es der VK Bund zufolge unerheblich, welche Fern- oder Folgewirkungen der ausgeschriebene Vertrag haben wird.
VK Bund, Beschluss vom 09.12.2015 – VK 2-107/15

Quelle: ibr News – Architekten und Ingenieure #08/2016

Source: IFB-Mainz-Blog

Ausnahmen im neuen Vergaberecht begünstigen ausschreibungsfreie Vergabe

Der Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts hat am 17. und 18.12.2015 die letzten Stufen des Gesetzgebungsverfahrens passiert und wird am 18.04.2016 in Kraft treten. Nach Auffassung des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. werden die im neuen Gesetz enthaltenen weitgehenden Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts für die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit der Verstaatlichung von Dienstleistungen weiteren Vorschub leisten. Der BDE sieht in der ausschreibungsfreien Vergabe von Aufträgen zwischen zwei öffentlichen Auftraggebern eine massive Wettbewerbsverzerrung zu Lasten insbesondere der privaten Recycling- und Entsorgungswirtschaft. Es ist bedenklich, dass mit den neuen, im Gesetz verankerten Ausnahmen für die interkommunale Zusammenarbeit und die Inhouse-Vergabe das Vergaberecht umgangen werden kann und einer vernünftigen Mittelstandspolitik einmal mehr Steine in den Weg gelegt werden.

BDE-Präsident Peter Kurth: „Die fraktionsübergreifend gefeierte Stärkung des Wettbewerbs im Zuge der Vergaberechtsnovelle lässt nicht nur den Laien staunen, auch der Fachmann ist verwundert. Denn was nützen einem die schönsten Bekundungen, wonach Dienstleistungen weiterhin im Wettbewerb vergeben werden, wenn die Kommunen darüber entscheiden, wann eine Dienstleistung tatsächlich im Wettbewerb vergeben wird? Das Gebot, dass eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden nur dann zulässig ist, wenn ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert, wird hier mit Füßen getreten.“

Insbesondere bedauert der BDE, dass der Gesetzgeber nicht der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz aus Dezember 2014 gefolgt ist und es unterlassen hat, in den Voraussetzungen für die ausschreibungsfreie interkommunale Zusammenarbeit klarzustellen, dass Zusammenarbeit in diesem Sinne mehr sein muss als eine bloße Leistung gegen Bezahlung.

In diesem Zusammenhang nimmt der BDE insbesondere die Erklärung der Regierungsfraktionen zu den Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit mit deutlicher Kritik zur Kenntnis. Leider wird in dieser Erklärung unter Nichterwähnung des genannten Beschlusses des OLG Koblenz zur näheren Bestimmung des Begriffes „Zusammenarbeit“ lediglich festgestellt, dass die neue Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe keine Definition von „Zusammenarbeit“ enthält. Stattdessen wird Bezug genommen auf die Gesetzesbegründung der Richtlinie, wonach sich der Beitrag eines Teilnehmers der interkommunalen Kooperation auch auf einen bloßen Finanztransfer beschränken kann. Mit Blick auf eine abschließende Definition des Begriffes „Zusammenarbeit“ wird auf die zukünftige Rechtsprechung des EuGH verwiesen.

BDE-Präsident Peter Kurth: „Die weite Ausgestaltung der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Vergaberechtes für die interkommunale Zusammenarbeit und die Inhouse-Vergabe stehen aus Sicht des BDE im klaren Widerspruch zu dem erklärten Ziel der Bundesregierung, Entsorgungsdienstleistungen im Wettbewerb zu vergeben.“

Der BDE hatte sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens neben der Forderung nach einer eingrenzenden Definition des Begriffes „Zusammenarbeit“ insbesondere dafür eingesetzt, Wettbewerbern im Falle einer ausschreibungsfreien Vergabe die Überprüfung zu vereinfachen, ob die Voraussetzungen für eine ausschreibungsfreie Auftragsvergabe tatsächlich vorgelegen haben. Peter Kurth: „Mit der sogenannten ex-post-Transparenz für Inhouse-Vergaben und Vergaben im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit hätten entsprechende Vertragsabschlüsse verpflichtend nachträglich im Amtsblatt der EU bekannt gemacht werden müssen. Privaten Unternehmen wäre damit stets Gelegenheit gegeben worden, die Rechtmäßigkeit der ausschreibungsfreien Vergabe zu überprüfen.“

(Quelle: BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V.)
Quelle: ibr-online, Dezember 2015

Wer nicht sichert, hat das Nachsehen

Im Baustellenbereich genügt es nicht, einen quer über die Straße verlegten Wasserschlauch durch Aufstellen des Verkehrsschildes „unebene Fahrbahn“ zu sichern. Der Baustellenbetreiber müsse den Schlauch vielmehr abdecken oder Verkehrsteilnehmer vom Überfahren der Gefahrenstelle abhalten. So lautet das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 5. Juni 2014 (Az.: 4 U 118/13).

Was war passiert?

Als ein Smartfahrer in einem Baustellenbereich im Schritttempo über einen schräg über die Straße verlegten Wasserschlauch fuhr, schnellte ein Teil des Schlauchs nach oben und demolierte den Frontspoiler des Wagens. Dafür verlangte der Fahrer von dem Baustellenbetreiber Schadenersatz, da dieser seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte.

Vor Gericht argumentierte der Betreiber der Baustelle, er sei seiner Verkehrssicherungspflicht mit dem Aufstellen des Gefahrenzeichens „unebene Fahrbahn“ ausreichend nachgekommen und der Schaden resultiere aus der Unaufmerksamkeit des Klägers.

Das Urteil:

Die Richter des Saarländischen Oberlandesgerichts gaben der Schadenersatzklage in vollem Umfang statt. Gerade weil der Beklagte das Gefahrenzeichen 112 („unebene Fahrbahn“) aufgestellt hatte, konnte der Kläger ihrer Auffassung nach davon ausgehen, dass bei einem langsamen Überfahren des Schlauchs kein Gefahrenrisiko bestand.

Da mit dem Aufstellen des Schildes offensichtlich keine Schäden vermieden werden konnten, wäre der Beklagte nach Meinung der Richter verpflichtet gewesen, den Schlauch entweder abzudecken oder – unter Einsatz von Hilfspersonal – zu verhindern, dass Fahrzeuge darüberfuhren.

Aufgrund der Unterlassung solcher Sicherungsmaßnahmen ist der Beklagte dem Kläger gegenüber in vollem Umfang zum Schadenersatz verpflichtet. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Quelle: AIA-News, September 2014

Ungewöhnlich niedrig erscheinende Angebote müssen (zwingend) aufgeklärt werden!

1. Erscheint das Angebot eines Bieters nach Einschätzung der Vergabestelle ungewöhnlich niedrig, ist sie vor einem etwaigen Angebotsausschluss dazu verpflichtet, von dem Bieter Aufklärung zu verlangen. Diese Aufklärung kann nicht durch eine Preisprüfung unter Heranziehung eigener Unterlagen ersetzt werden.

2. Die die Aufklärungspflicht des Auftraggebers auslösende Annahme eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises bezieht sich lediglich auf den Gesamtpreis, nicht aber auf die einzelnen Positionen, aus denen er sich zusammensetzt.

3. Soweit der Auftraggeber die Annahme eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises auf eine eigene Kostenschätzung stützt, muss diese in sich schlüssig und nachvollziehbar sein.

4. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Kostenschätzung stellt in Bezug auf die darauf gestützte Annahme eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises einen erheblichen Verstoß gegen die Dokumentationspflichten des Auftraggebers dar.

5. Unterkostenangebote sind nicht per se unzulässig. Der Auftraggeber darf einen Zuschlag auch auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilen, solange die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Bieter auch zu diesem Preis zuverlässig und vertragsgerecht wird leisten können.

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17.11.2014 – 2 VK 16/14

Quelle: ibr News – Architekten und Ingenieure #03/2015, IBRRS 2015

Planungsfehler oder Schadenseintritt: Was ist das „schädigende Ereignis“?

OLG Zweibrücken, Urteil vom 10.12.2013 – 8 U 84/11

1. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 8 EGBGB sind die Vorschriften des „neuen“ Schuldrechts erst anzuwenden, wenn das schädigende Ereignis (hier: Baumängel aufgrund einer fehlerhaften Planung) nach dem 31.07.2002 eingetreten ist. „Schädigendes Ereignis“ im Sinne dieser Vorschrift ist die Vornahme der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung und nicht der Eintritt des Schadens.

2. Ist die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung vor dem 01.08.2002 begangen worden, bleibt es auch dann bei der Anwendung des alten Rechts, wenn weitere Schäden entstehen.

3. Der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers wegen vor dem 01.08.2002 begangener Planungsfehler umfasst auch die gesetzliche Mehrwertsteuer.

Quelle: ibr News

Bauüberwachungsfehler bei schwerwiegenden Baumängeln arglistig verschwiegen?

Das arglistige Verschweigen eines Bauüberwachungsfehlers setzt das Bewusstsein voraus, dass die Leistung vertragswidrig erbracht wurde. Ein solcher Anschein entsteht selbst bei schwerwiegenden Baumängeln dann nicht, wenn der sich hieraus ergebende Bauüberwachungsfehler auch auf einfacher Nachlässigkeit beruhen kann. Allerdings genügt der Auftraggeber seiner Darlegungslast grundsätzlich, wenn die Mängel so augenfällig, schwerwiegend und/oder zahlreich sind, dass sie bei vernünftiger Betrachtungsweise nur infolge einer bewusst lückenhaften Bauüberwachung unentdeckt bleiben konnten oder hätten bemerkt werden müssen.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 13.02.2013 – 1 U 46/12;

BGH, Urteil vom 25.09.2013 – VII ZR 63/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Quelle: Neuigkeiten von ibr-online, Dezember 2013, AIA

Auf Planungsfehler nicht hingewiesen: Auftragnehmer haftet in voller Höhe!

Hat der Unternehmer nach seinem eigenen Vortrag einen Planungsmangel erkannt und kann er seine Behauptung, er habe Bedenken angemeldet, nicht beweisen, kann er sich nach Treu und Glauben gegenüber dem Bauherrn auf ein mitwirkendes Verschulden des Architekten als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn nicht berufen, so das OLG Stuttgart.
OLG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2014 – 10 U 127/13

Quelle: ibr News – Bauvertrag #13/2014

Weihnachtsgrüße vom IFB-Mainz


Zusammenkommen ist ein Beginn,
Zusammenbleiben ist ein Fortschritt,
Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.“

– Henry Ford –

Das Team vom IFB-Mainz bedankt sich herzlich für ein gutes Miteinander, für das entgegengebrachte Vertrauen und die angenehme Zusammenarbeit.

Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, viel Glück, Gesundheit und Erfolg im neuen Jahr.

Aufmaß und Recht – Das sollten Sie beachten

Hinter Problemen mit dem Aufmaß steckt häufig ein zahlungsunwilliger Auftraggeber. Als zentraler Bestandteil der Abrechnung ist das Aufmaß für den Auftragnehmer ein wichtiges Recht, bei dem es einiges zu beachten gilt.

Auf den ersten Blick haben das Aufmaß von erbrachten Leistungen und Baurecht nichts miteinander zu tun. Bei dem Aufmaß geht es um eine Leistung, die man anfassen und aufmessen kann, beim Baurecht um abstrakte Rechtsfragen. Dabei gibt es zahlreiche Verbindungen, bei denen meist ein zahlungsunwilliger Auftraggeber im Hintergrund steht: Ist die Schlussrechnung prüffähig und liegt ein prüffähiges Aufmaß vor? Wie ist mit einem gemeinsamen Aufmaß umzugehen, kann das noch angegriffen werden? Was ist, wenn der Vertragspartner nicht zum Auftragstermin erscheint? Was, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer durch ein Baustellenverbot den Zugang zu den aufzumessenden Leistungen nimmt? Oder eigenmächtig die Leistungen als „mangelhaft“ beseitigt hat?

Bedeutung der Prüffähigkeit

Ist eine Rechnung nicht prüffähig und rügt der Auftraggeber dies rechtzeitig, hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Vergütung – gar keinen! Rügt der Auftraggeber nicht rechtzeitig, kommt es zu einer inhaltlichen Prüfung, wobei der Auftragnehmer die Richtigkeit seiner Rechnung nachweisen muss. Was aber ohne Aufmaßunterlagen eben gerade meist nicht geht …

Leistungsermittlung aus den Plänen

Auch unter Juristen oft unbekannt ist eine zentrale Regelung zum Aufmaß. In der VOB/C findet sich in der ATV DIN 18299 eine Regelung, die – wie die gesamte ATV DIN 18299 – grundsätzlich für alle Arten von Bauleistungen gilt.
Und kurz ist die Regelung auch noch: „Die Leistung ist aus Zeichnungen zu ermitteln, soweit die ausgeführte Leistung diesen Zeichnungen entspricht. Sind solche Zeichnungen nicht vorhanden, ist die Leistung aufzumessen“. Dies ist die vollständige Regelung in Abschnitt 5 der ATV DIN 18299.
Gibt es für eine Leistung Zeichnungen – also z.B. eine Ausführungs- oder Werkplanung – so kann die Leistung anhand dieser Zeichnungen ermittelt werden. Der Auftragnehmer kann also auf die vorhandenen Pläne zurückgreifen und muss nicht selber Aufmaßzeichnungen erstellen. Dies gilt aber nur – und das ist natürlich eine wichtige Einschränkung – wenn der Auftragnehmer entsprechend der Planung gebaut hat. Das sollte aber der Regelfall sein, zumal jede Abweichung einen Mangel darstellen kann.

Prüffähiges Aufmaß

Muss der Auftragnehmer ein Aufmaß erstellen, so enthält die VOB in der VOB/B Regelungen dazu, wie das Aufmaß auszusehen hat.
Dort heißt es in § 14 Abs. 1 VOB/B: „Der Auftragnehmer hat seine Leistungen prüfbar abzurechnen. (…) Die zum Nachweis von Art und Umfang der Leistung erforderlichen Mengenberechnungen, Zeichnungen und andere Belege sind beizufügen.“
Das macht zumindest deutlicher, worum es geht: um den Nachweis von Art und Umfang der ausgeführten Leistungen. Diese müssen sich aus den Belegen ergeben. Dies können je nach Leistung und Abrechnungsart Pläne, Wiegescheine etc. sein. Entscheidend ist, dass der Auftraggeber daraus ersehen kann, welche Leistungen der Auftragnehmer ausgeführt hat. Ob ein Aufmaß prüffähig ist, lässt etwa so feststellen: Geben Sie einem völlig neutralen Dritten, der noch nie auf der Baustelle war (aber fachkundig ist) die Nachweise und geben Sie ihm den Auftrag, die Richtigkeit zu überprüfen. Kann er dies nicht, weil Zeichnungen nicht zuordenbar sind, Leistungen verdeckt sind, die auf gemessenen Einheiten nicht dem Vertrag entsprechen (kg statt m³), dann ist die Aufstellung nicht prüfbar.

Gemeinsames Aufmaß und Bestreiten

Der sicherste Weg zum prüffähigen Nachweis ist das gemeinsame Aufmaß. Dabei kann der Auftraggeber auch Einfluss nehmen auf die Art der Dokumentation. Ist man sich insoweit einig, kann der Auftragnehmer mit Diskussionen im Rahmen der Rechnungsprüfung entspannt umgehen.
Einen weiteren Vorteil hat das gemeinsame Aufmaß: Die dabei gemeinsam getroffenen Feststellungen sind erst einmal für beide Vertragspartner bindend und maßgeblich. Warum nur „erst einmal“? Jeder Vertragspartner kann bei der Erstellung bzw. Prüfung der Schlussrechnung noch andere Massen abrechnen bzw. prüfen – dann ist er aber dafür beweispflichtig! Will also der Auftraggeber nach einem gemeinsamen Aufmaß nur einen Teil der Leistungen bezahlen, so muss er beweisen, dass auch tatsächlich weniger ausgeführt wurde (sog. Beweislast). Dies ist bei vielen Leistungen nicht einfach, bei manchen sogar unmöglich. Weil normalerweise der Auftragnehmer für seine Leistungen die Beweislast trägt, kommt es zu Lasten des Auftraggebers zu einer sogenannten Beweislastumkehr.
Ein solches gemeinsames Aufmaß ist auch in der VOB/B an einigen Stellen vorgesehen, z.B. bei später verdeckten Leistungen – einer später abgedeckten Drainage, Bewehrungsstahl bevor der Beton kommt, Leitungen bevor der Putz aufgelegt wird etc. Die VOB/B empfiehlt in solchen Fällen eine gemeinsame Zustandsfeststellung, § 4 Abs. 10 VOB/B, und eine fortlaufende Aufmaßerstellung, § 14 Abs. 2 VOB/B. Bei später verdeckten Leistungen muss der Auftragnehmer die Feststellung beantragen, so der letzte Satz von § 14 Abs. 2 VOB/B. Fordert der Auftragnehmer eine solche Feststellung, hat sie für ihn den Vorteil der Beweislastumkehr, auch wenn der Auftraggeber nicht erscheint.

Einseitiges Aufmaß – welche Vorteile hat es?

Überhaupt hat ein auch nur einseitiges Aufmaß oft Vorteile, zumindest wenn der Vertragspartner eingeladen war. Ein Beispiel:

Der Auftragnehmer führt eine Drainage aus und lädt den Auftraggeber zu einem Aufmaßtermin ein. Der Auftraggeber kommt nicht. Kurz darauf behauptet er, die Drainage sei mangelhaft und lässt sie ohne jede Fristsetzung zurückbauen und durch eine andere ersetzen. Der Auftragnehmer will jetzt seine Leistungen abrechnen. Der Auftraggeber kann keinen Mangel der ursprünglichen Drainage nachweisen.

Um an sein Geld für die mangelfreie Leistung zu kommen, muss der Auftragnehmer ihren Umfang nachweisen können – prüffähig! Der Auftragnehmer hat zwar prüffähige Unterlagen erstellt, und zwar bei dem Termin, zu dem auch der Auftraggeber eingeladen war. Aber die Richtigkeit des Aufmaßes kann nicht mehr überprüft werden, weil die Leistung zurückgebaut wurde.
Dies geht aber zu Lasten des Auftraggebers! Der Auftragnehmer hatte alles getan, ein gemeinsames prüffähiges und geprüftes Aufmaß herbeizuführen. Es liegt allein am Auftraggeber, dass es hierzu nicht gekommen ist. Daher muss er nachweisen, welche Fehler der Auftragnehmer in seinem Aufmaß gemacht hat und wie viel daher wirklich abzurechnen ist. Dies wird dem Auftraggeber meist nicht gelingen.

Einseitiges Aufmaß bei Baustellenverbot

Das gleiche Problem kann sich für einen Auftragnehmer stellen, wenn der Auftraggeber den Vertrag vorzeitig kündigt und die Arbeiten einfach weiterführen lässt. Manche Auftraggeber erteilen gerne „mal eben so“ ein Baustellenverbot. Das ist für den Auftragnehmer besonders unangenehm. Nicht nur muss er um seine Materialien und Geräte fürchten, auch die Abrechnung der erbrachten Leistungen steht auf dem Spiel.
In solchen Fällen muss der Auftragnehmer schnell handeln. Er muss prüfen, welche Abrechnungsunterlagen er hat. Liegen Ausführungspläne vor, auf die er seine Abrechnung stützen kann? Kann er den Stand seiner Arbeiten nachweisen, mit Fotos, Videos und darauf basierenden Zeugenaussagen? Droht eine Veränderung der ausgeführten Leistungen?
Ganz entscheidend ist dabei der Ausgangspunkt, dass der Auftragnehmer die Pflicht hat, prüffähig abzurechnen – und daher auch das Recht, ein Aufmaß zu erstellen.
Der Auftragnehmer kann überlegen, ob er dem Auftraggeber durch eine einstweilige Verfügung die Weiterführung der Arbeiten untersagt. Dieser Weg hat jedoch gewisse Risiken. So kann es zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers kommen. Dennoch sollte dies versucht werden, wenn überhaupt keine Abrechnungsgrundlagen vorhanden sind.
Hat der Auftragnehmer zumindest für ausreichend große Teile brauchbare Abrechnungsgrundlagen, so kann es reichen, dem Auftraggeber eine Frist zu setzen und ihn zu einer gemeinsamen Aufmaßerstellung aufzufordern. Verweigert sich der Auftraggeber, kann er sich zumindest nicht auf später nicht mehr nachprüfbare Fehler der Abrechnung stützen. Dies hilft dem Auftragnehmer aber nur, wenn er seine Leistung überhaupt nachweisen kann, also z.B. durch die Planung des Auftraggebers selber, ein baubegleitendes Aufmaß oder ähnliches. Problematisch und für den Auftragnehmer wenig hilfreich ist allerdings der Einwand, wegen des Verhaltens des Auftraggebers habe er gar keine Abrechnungsgrundlagen erstellen können. Dies hilft ihm nicht dabei, seine Vergütung wenigstens näherungsweise der Höhe nach darzustellen.
Je mehr sich der Auftragnehmer ordnungsgemäß um ein Aufmaß bemüht hat, um so geringer sind die Chancen des Auftraggebers, wegen formaler Fehler der Unterlagen den Vergütungsanspruch abwehren zu können.

Fazit

Das Aufmaß hat auch eine rechtliche Grundlage. Diese Grundlage betrifft zum einen die Frage, wann und wie das Aufmaß zu erstellen ist. Zum anderen geht es um das Recht des Auftragnehmers, für seine Abrechnung ein Aufmaß erstellen zu dürfen. Diesem Recht darf sich der Auftraggeber nicht grundlos entgegenstellen. Und weil das Aufmaß als entscheidender Rechnungsbestandteil für den Auftragnehmer weit mehr ist als nur ein Stück Papier, sollte der Auftragnehmer sorgfältig mit diesem Anspruch und dessen Gefährdung durch den Auftraggeber umgehen.

Quelle: KIEL/BERLIN, 15.06.12, RA Dr. Mark von Wietersheim, Berlin

Stundenlohnarbeiten sind auch ohne Stundenzettel zu bezahlen!

Der Auftragnehmer kann der werkvertraglichen Verpflichtung zur Vorlage von Rapporten bzw. Stundenzetteln auch noch mit der Erteilung der Schlussrechnung Genüge tun, soweit darin die erforderlichen Angaben enthalten sind bzw. nachgeholt werden. Die unterbliebene Vorlage von vertraglich vereinbarten Rapporten führt ebenso wenig wie die unterbliebene Vorlage von Stundenzetteln ohne Weiteres zum Verlust des Werklohnanspruchs. Jedoch muss der Auftragnehmer dann nachträglich alle notwendigen Angaben machen, die in den Rapporten bzw. Stundenzetteln hätten enthalten sein müssen, um den Vergütungsanspruch zu rechtfertigen.*)

OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.08.2013 – 22 U 161/12

Quelle: Neuigkeiten von ibr-online, Dezember 2013 AIA